Es klingt zu schön, um wahr zu sein: V8, 300 PS, vier Sitze, Machoform und das alles für nicht mal 24 000 Euro. Als Rennpferd zum Preis eines Ponys präsentiert sich der Mustang auf der amerikanischen Ford-Website. Eigentlich gibt es ihn auch nur dort, im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Aber die Optik des neuen Jahrgangs weckt selbst in Europa Begehrlichkeiten, und der starke Euro verspricht ein attraktives Angebot. Der freie Importeur macht allerdings aus der 24 rasch eine 35 – was immer noch wohlfeil klingt. Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul, sagt ein altes Sprichwort.
Karosserie/Innenraum
Kraftvolles Retrodesign außenEin gängiges Vorurteil behauptet, Trends kämen aus Amerika nach Europa. Das trifft auch auf den seit einigen Jahren grassierenden Hang zum Retrodesign zu. Chryslers PT-Cruiser oder Chevrolet SSR stehen dafür. Bei Ford eröffnete der Thunderbird einen wahren Reigen von Neoklassikern. Deren spektakulärster und exklusivster dürfte der GT 40 sein. Mit dem Mustang hingegen versuchen die Amerikaner den massenhaften Erfolg des Vorbilds aus den 60ern zu wiederholen. Dementsprechend interpretiert er die charakterstarke Erscheinung des Vorbilds neu: Dominierende Linien und von scharfen Kanten begrenzte, klare Flächen prägen die sehr eindrucksvolle Karosse. Sie macht den Mustang zum perfekten Showcar für den Boulevard.
Sorgloser Plastikstil innen
Innen ist die Neuinterpretation eines 60er-Jahre-Cockpits leider weniger eindrucksvoll. Der Original-Mustang mag in dieser Hinsicht kein gutes Vorbild sein, aber die großflächigen Plastiklandschaften in tristem Schwarz wirken beim Jahrgang 2005 einfach nur billig. In der günstigeren Ausstattungsvariante „de Luxe“ hellen nicht einmal die auf den Pressefotos so schicken Metallapplikationen die freudlose Umgebung auf. Mahnmal der lieblosen Gestaltung ist der Automatikwählhebel, der aussieht, als hätte das Produktionsband kurz vor dem Anbringen der Chromverzierung angehalten. Die leidlich gelungene Formgebung tritt angesichts der wenig wertvollen Haptik der Materialien vollends in den Hintergrund. An der Verarbeitung selbst sind indessen keine Mängel in Form von schlechter Passgenauigkeit oder gar Klappergeräuschen feststellbar.
Fahrwerk/Fahrverhalten
Es lebe die Starr-AchseDas Fahrwerk des neuen Mustangs ist von simpler Machart: Standardantrieb und Starr-Achse hatte schon das Original. Gemessen daran läuft das amerikanische Wildpferd an sich ganz manierlich. Wer auf die optisch eindrucksvollen 19-Zöller aus dem Zubehör verzichten kann, registriert einen ordentlichen Geradeauslauf sowie einen recht verbindlichen Abrollkomfort. Die straffe Grundabstimmung passt jedenfalls zur sportlichen Ausrichtung des Coupés.
Wenig Rückmeldung
Das Handling hingegen kann weniger überzeugen. Weder die etwas teigige Lenkung noch die subjektiv laxe Radführung animieren so recht zum Schnellfahren. Auch die ausladende Karosse ist von Nachteil. Dabei kann das Fahrwerk mit höheren Kurvengeschwindigkeiten durchaus umgehen. Die Straßenlage selbst ist nämlich gut, und Lastwechselreaktionen sind dem Mustang fremd. Selbst die Traktion reißt trotz üppigen Drehmoments selten ab. Das spärliche Feedback hinterlässt beim Mustang-Reiter aber immer wieder ein Gefühl der Unsicherheit hinsichtlich der gewählten Linie durch die nächste Biegung. Die nicht vollständige sicherheitselektronische Ausstattung lädt zudem nicht zum Experimentieren ein. So sind beim V8 zwar ABS und Traktionskontrolle Serie (beim V6 für 468 Euro Aufpreis), aber ein ESP gibt es weder für Geld noch gute Worte.
Eine Frage des Preises
Gemessen am technischen Aufwand ist die Performance erstaunlich gut. Das Problem des reimportierten Mustang ist eher der Preis. Für 35 900 Euro gibt es beispielsweise einen 330i, der im Fahrwerksbereich alles um Klassen besser kann. 400 Euro Minderpreis für den V8 nehmen sich da eher mickrig aus.
Motor/Getriebe
V8 mit MachtBeim Motor ist die Wahl einfacher Mittel weniger zweischneidig als beim Fahrwerk. Der 4,6-Liter-V8 ist zwar bei der Leistungsausbeute wenig modern. Aber 300 PS sind absolut gesehen ein würdiges Maß für ein Muscle-Car. Für das maximale Drehmoment von gut 430 Nm gilt dasselbe. Die Fahrleistungen sind deshalb sehr gut. Hand gestoppt maßen wir selbst mit der Automatikversion etwa 6,5 Sekunden für den Sprint auf 100 km/h. Weniger beeindruckend ist die Höchstgeschwindigkeit. Über 220 km/h wird’s zäh. Zu wenig für 300 PS und zu langsam, um sich auf Rennen mit forsch gefahrenen Turbodieseln einzulassen. Das ist auch mit Hinblick auf den Verbrauch nicht ratsam, der sich sonst in annehmbaren Grenzen hält.
Coolness statt Hektik
Die Art des Zustandekommens von Beschleunigung ist sicher Geschmackssache, beeindruckend ist sie im Mustang allemal. Der recht simple V8 schüttelt die Kraft lässig aus dem Ärmel und verbreitet dabei einen äußerst wohltönenden Klang. Typisch amerikanischer V8 eben: tief wummernd bis kräftig brüllend und manchmal nicht ganz rund, fast derb. Höhere Drehzahlregionen lassen ihn etwas angestrengt klingen und reduzieren seine ohnehin bescheidene Drehfreude weiter. Mehr als 5000 U/min machen keinen Sinn. Das etwas schmale nutzbare Drehzahlband stört vor allem auf der Autobahn. Auf der Landstraße ist der Mustang schon vorher schneller als die Rennleitung erlaubt.
Die Getriebefrage lebt im Spannungsfeld der zwei Mustang-Seelen: Eigentlich will Ford dem Coupé ja eine gewisse Sportlichkeit mitgegeben haben. Der zwar kräftige aber relaxte Motor und das stabile, aber wenig animierende Fahrverhalten prädestinieren jedoch eher zum amerikanischen Cruisen. Das gelingt mit der Automatik gut, auch wenn sie mit nur fünf Stufen nicht so unmerklich schaltet, wie moderne Sechsgangboxen. Andererseits ist sie dem Schnellfahren hinderlich, weil sie träge reagiert und kaum Eingriffsmöglichkeiten bietet. Das kann die ebenfalls nur fünfstufige Handschaltung besser, obwohl sie etwas schwer und nicht richtig exakt zu bedienen ist. Der elastische Motor verlangt dafür nicht ständig nach Gangwechseln, so dass Cruisen mit dem manuellen Getrieb
Kosten
Hoher ImportaufschlagBei geigercars.de in München beginnt die Preisliste für den V6-Mustang bei 28 900 Euro, die Premium-Ausstattung kostet 1000 Euro extra. Der V8 kostet als de Luxe 35 500 und als Premium 36 990. Für ein V8-Coupé mit 300-PS-V8 nicht schlecht – wenn man den US-Preis (umgerechnet rund 24 000 Euro inklusive deutscher Mehrwertsteuer) möglichst schnell vergisst. Beim Topmodell sind dann Radio-CD mit MP3, ein elektrisch verstellbarer Fahrersitz, Ledersportsitze, Klimaanlage, 8x17-Zoll-Alufelgen sowie zwei Airbags und Zentralverriegelung Serie. Fast schon unverzichtbar ist das Interior-Paket (533 Euro) mit den erwähnten Metallapplikationen im Innenraum. Das darin ebenfalls enthaltene „my colour feature“ beleuchtet die Instrumententafel auf Knopfdruck in einer von 125 verschiedenen Farben. Seitenairbags und ESP gibt es nicht.
Konkurrenz: Weniger Kult, mehr Gegenwert
Auf dem deutschen Automarkt dürfte der Mustang damit ein Auto für Liebhaber bleiben. Denn fürs gleiche Geld gibt es beispielsweise einen 330i (Jahrgang 2005) mit weniger Leistung, aber mehr als gleichwertigen Fahrleistungen. Fahrwerksperformance, Innenraumanmutung, Sicherheitsausstattung und vor allem Handling sind beim Bayern ebenfalls besser. Nur im Aufmerksamkeitswert kann der BMW nicht mithalten. Günstiger könnte diese Betrachtung für das ebenfalls erhältliche Cabrio ausgehen: Die tendenziell relaxtere Art der Fortbewegung in offenen Autos passt besser zum Charakter des Mustang, und ohne Dach gelangt noch mehr Sound zu den Insassen.